Lesetipps zum Ukrainekrieg

Von Wolfgang Kastrup   Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik Freerk Huisken: Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass, Hamburg: VSA 2023, 150 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 978-3-96488-193-9   Aus Anlass des Ukrainekrieges hat Freerk Huisken, Professor im Ruhestand an der Universität Bremen, ein neues Buch Frieden. Eine Kritik. Aus aktuellem Anlass herausgegeben. Wie der Titel schon deutlich macht, kommen hier abweichende Meinungen zum Thema Frieden zum Ausdruck. Es geht dem Autor um die Frage, was Friedenspropaganda, -appelle und -politik, von denen gesprochen wird, beinhalten, und weshalb im Ukrainekrieg die westliche Friedensordnung militärisch verteidigt wird. Die Rede vom Frieden beherrscht die hiesige politische Debatte als moralische Rechtfertigung der westlichen bzw. deutschen Kriegsbeteiligung gegen „das Böse“ in Gestalt der Russischen Föderation und im Besonderen in Gestalt des russischen Präsidenten Putin. Aus der Friedensmoral wird für Huisken…

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„Die Gegenwart als Werden erfassen“

Rezension von Wolfgang Kastrup   Karl Lauschke: „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein, Münster: Westfälisches Dampfboot 2023, 528 Seiten, 38 Euro, ISBN 978-3-89691-085-1 Karl Lauschke, Sozial- und Wirtschaftshistoriker, hat sich mit seinem aktuell im Verlag Westfälisches Dampfboot erschienenen Buch „Die Gegenwart als Werden erfassen“. Inhalt, politischer Kontext und Rezeption von Georg Lukács‘ Geschichte und Klassenbewusstsein der Aufgabe gestellt, das berühmte Werk von Lukács „als eine Monographie zu betrachten, also als ein Buch, das ein Thema behandelt, Schritt für Schritt analysiert und auch hätte heißen können: ‚Die Bedeutung des Klassenbewusstseins im Klassenkampf des Proletariats‘“ (13). Obwohl sich Georg Lukács (1885-1971), ungarischer Philosoph und Parteimitglied der ungarischen KP, von seinem bekanntesten Buch Geschichte und Klassenbewusstsein, 1923 im Malik Verlag in Berlin erschienen, selbstkritisch wegen der…

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Die Notwendigkeit des „Degrowth-Kommunismus“

Kohei Saito neues Buch „Systemsturz“ Rezension von Wolfgang Kastrup   Kohei Saito: Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus, München: dtv 2023, 316 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-423-28369-4   Der japanische Wissenschaftler Kohei Saito, Associate Professor für Philosophie an der Universität von Tokio, hat nach dem 2016 erschienenen Buch Natur gegen Kapital wieder ein neues Werk veröffentlich, das in Japan im Original über eine halbe Million Mal verkauft wurde. Der prägnante Titel lautet Systemsturz. Der Sieg der Natur über den Kapitalismus. Es geht in der Analyse des Buches um die Verflechtung von Kapital, Gesellschaft und Natur im Anthropozän, wobei dieses Zeitalter, wie er zum Schluss schreibt, besser „Kapitalozän“ (277) genannt werden sollte, da der Kapitalismus den Planeten zerstört, die Ursachen des Klimawandels also im System des Kapitalismus zu suchen sind. Um es…

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„Zahraas Erwartungen in ihrem Traumland“

Von Krieg, Mut und Hoffnungen: ein Interview mit einer Syrerin, die nach Deutschland geflohen ist Von Berivan Slemann „Alle fragen: Warum willst du noch studieren? Du bist zu alt!  Der wahre Grund seid ihr. Das ist eure Schuld. Also ohne Aufenthaltserlaubnis darf man nicht an Sprachkursen teilnehmen“ (Zahraa)   Zahraa wurde zu ihren Fluchterfahrungen und ihrer Einstellung zur deutschen Flüchtlingspolitik interviewt. Ihre Antworten werden im Folgenden zusammengefasst und eingeordnet. Dies ist ein Versuch, zu zeigen, wie Menschen darauf reagieren, wenn sie durch Krieg und ein autoritäres Regime gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen und sich kriminellen Fluchthelfern anzuvertrauen. Am Anfang des Artikels sollte angemerkt werden, dass meine Wahl dieses Themas auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass ich die tragischen Momente und Härten einer Flucht aus Syrien selbst erlebt habe und sie deshalb gut…

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Körperliche Selbstbestimmung – für wen?

Der feministische Diskurs um Abtreibung   Von Hannah Kaufmann Das Thema Abtreibung ist und war ein zentrales Anliegen für die feministische Bewegung. Während sich einige noch an die Aktion „Ich habe abgetrieben“ im Stern 1971 erinnern, denken andere an die entgegengesetzte Lebensschutzbewegung, die Märsche für das Leben, oder zuletzt an die verheerende Entscheidung um Roe vs. Wade in den USA. In Deutschland ist Abtreibung seit 1871 durch den Paragraf 218 im Strafgesetzbuch illegal, heute jedoch bei bestimmten Indikationen nicht strafbar. Seit den 1930er Jahren gab es zusätzlich den § 219a, der es Ärzt*innen verbot, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Jahrzehntelang kämpfte die deutsche feministische Bewegung gegen diese Regelungen. Zwei zentrale Ereignisse prägten und verstärkten den Diskurs um Abtreibung in den letzten Jahren und stecken somit einen Rahmen ab, in dem eine Kritische Diskursanalyse interessant…

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Verteidigung einer Illusion

Von Nadja Kutscher Grundlage des folgenden Textes ist die aktuelle Veröffentlichung der Autorin im transcript Verlag mit dem Titel: „Das Narrativ vom ‚großen Austausch’. Rassismus, Sexismus und Antifeminismus im neurechten Untergangsmythos“. Sie basiert auf einer im Vorjahr am Lehrstuhl für Menschenrechte der Universität Erlangen-Nürnberg eingereichten Dissertation. Für diese wurden per Kritischer Diskursanalyse (vgl. Jäger 2015) Texte aus den extrem rechten Publikationen Compact-Magazin und Sezession ausgewertet. Geburten und Migration sind in extrem rechten Milieus seit Langem zwei Kernpunkte einer Erzählung: der des bedrohten, sterbenden, im Austausch begriffenen Volkes. Das Narrativ vom ‚großen Austausch’, das seit Jahren besonders von Mitgliedern der sogenannten Neuen Rechten[1] verbreitet wird (Weiß 2017), vereint unter dieser Themenverknüpfung alle menschenverachtenden Topoi der extremen Rechten. Der österreichische Identitäre Martin Sellner, beschreibt in einem Kapitel der deutschen Übersetzung von Renaud Camus’ Buch „Revolte…

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Religion und Macht

Ein DISS-Gutachten zum Christlichen Fundamentalismus trägt Alarmierendes zusammen. Von Jobst Paul Unter dem Titel Religion und Macht. Zum extremistischen Potenzial des christlichen Fundamentalismus hat das DISS soeben ein Gutachten fertiggestellt. Im Auftrag von CoRE-NRW, einem wissenschaftlichen Netzwerk, das sich mit den Bedingungen und Formen extremistischer Radikalisierung sowie wirksamen Gegenmaßnahmen beschäftigt, wurden in dem Gutachten Daten, Aspekte und Themen zusammengetragen, die insgesamt ein alarmierendes Bild abgeben. Insbesondere wird festgestellt, dass die Exekutiven und Legislativen angesichts der hohen Konzentration auf die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus weitgehend übersehen haben, dass sich seit Jahren Radikalisierungsprozesse aufseiten christlicher Gruppierungen abzeichnen, die für die demokratische Stabilität und die Grundrechte in Deutschland eine nicht minder große Gefahr darstellen können. Zu wenig beachtet wurde z.B., dass die islamistische Radikalisierung teilweise sogar zum Vorwand für eine christlich-fundamentalistisch motivierte Bewegung (vgl. PEGIDA),…

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Das Europakonzept der AfD 2023

Von Helmut Kellershohn Seit ihren Anfängen verfolgt die AfD eine gegenüber der EU und dem Euro skeptische bis ablehnende Politik, die sich im Laufe der Zeit mit ihren programmatischen Forderungen verschärft hat. Im Kern geht es ihr zum einen um eine Renationalisierung der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik sowie weiterer Politikfelder wie der Außen-, Sicherheits-, Migrations- und Klimapolitik. Zum anderen ringt sie um die Frage, ob die Renationalisierung vermittels einer Reform der EU (im Sinne eines Rückbaus), eines einseitigen Austritts oder einer einvernehmlichen Auflösung der EU in Verbindung mit der „Neugründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (so im Grundsatzprogramm von 2016) herbeigeführt werden soll. Im Folgenden gehe ich auf die beiden Europawahlprogramme der AfD von 2019 und 2023 (hier: Leitantrag der Bundesprogrammkommission) näher ein, um die Entwicklung der AfD-Programmatik bzgl. ihrer Haltung zur EU nachzuzeichnen. Dass…

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Materielle Ungleichheit und Veränderungen politischer Teilnahme

Sekundäre Anpassungen an ökonomische Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen Von Peter Höhmann   „Die Herren machen das selbst, dass ihnen der gemeine Mann feind wird.“ (Thomas Müntzer) Vorbemerkung Der Beitrag befasst sich mit den Folgen der ungleichen ökonomischen Veränderungen in den Städten und regionalen Kreisen Nordrhein-Westfalens (NRW). Er geht dazu besonders auf Verbindungen zwischen diesen Wandlungsvorgängen und politischen Reaktionen in der Wohnbevölkerung ein, die als Konsequenz dieser Änderungen besonders nachhaltig auftreten können. Allgemein haben neben vielen weiteren einschlägigen Arbeiten für die Entwicklungen in den Städten vor allem Hartmut Häusermann und Walter Siebel (1987) in ihrer Ausarbeitung einer neuen Urbanität auf die Veränderungen zwischen wirtschaftlicher Produktion und sozialen Integrationsmustern in Richtung zunehmender Spaltung zwischen verschiedenen Lebensstilen und den offenen wie verschlossenen Handlungsspielräumen innerhalb der Sozialstruktur aufmerksam gemacht.[1] Der Beitrag greift diesen Zusammenhang auf. Er verweist zunächst…

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Was ist falsch in der Rede von Lars Klingbeil?

Zur „grundlegende(n) Neupositionierung sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik“ Von Wilfried Schollenberger Anlass Der russische Einmarsch in die Ukraine hat die Friedensbewegung, im engeren wie im weiteren Sinn, tief gespalten. Dabei zeichnet sich eine grundsätzliche Wende in der deutschen und (west-)europäischen Außenpolitik ab. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war ja keine rein pazifistische Parole. Sie war Ausdruck der Erkenntnis, dass ein friedliches Zusammenleben von Staaten mit teilweise gegensätzlichen Interessen und Werten nur auf der Grundlage von Kooperation und Ausgleich möglich ist und rein militärisch keinesfalls (langfristig) erreicht werden kann. Im Prinzip wurde diese Einsicht selbst von Politikern wie Helmut Schmidt[1] geteilt, die auch ein militärisches Gleichgewicht für notwendig hielten. Deshalb ist die aktuelle Debatte um außenpolitische Grundsätze von einem Kampf um die Neu-Interpretation der Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg geprägt. Ein Beispiel ist die Rede des…

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